kurze Vorbermerkung:
Ich sitze zum ersten mal in meinem Leben mit meinem Laptop in MEINER Hängematte, auf MEINEM Balkon, höre Jason Mraz und genieße das Wetter. Ich muss sagen, so lässt es sich leben!! =) und ich entdecke, das jemand auf der letzten Party einen Kinderriegel-Fußballsticker auf meinen Laptop geklebt hat -.-
Richard Mason – die unsichtbare Vierte
Julian fristet sein Leben als Lehrer in London und ist sogar in den Augen des eigenen Vaters ein Langweiler. Adrienne lebt mehr oder weniger glücklich an der Seite ihres zwanzig Jahre älteren Mannes, einem New Yorker Film Mogul. Jake ist ein Concept-Art Künstler, dem einfach nichts mehr einfallen will und dem sein galerist im Nacken sitzt. Drei Menschen, die nichts miteinander zu verbinden scheint. Doch die Wahrheit ist eine andere. Der tod der schönen Studentin Maggie, der dreizehn Jahre zurückliegt ist das auflösbare Band zwischen den dreien. Sie ist die unsichtbare Vierte, die durch aller Leben geistert. Als Julian, Adrienne und Jake sich auf einer Ausstellung wieder begegnen, wird die Vergangenheit lebendig….
Das ist der Klappentext des Buches und ich muss ehrlich sagen, dass ich ihn irreführend finde. Die Ausstellung, die angeblich alles ins Rollen bringt findet erst im letzten (und kürzesten) Abschnitt des Buches statt, der erste der insgesamt vier Abschnitte handelt vom Leben der dreien im „jetzt“, kurz vor der Ausstellung, als sie die Einladung dazu erhalten. Der größte Teil der Geschichte findet jedoch in zwei Abschnitten in der Vergangenheit statt, das Leben vor der Begegnung und das gemeinsame Leben in Oxford bis es zum tragischen Tod Maggies kam, der die drei Hauptpersonen jäh auseinander reißt. Die Geschichte an sich ist eigentlich nicht weiter großartig und könnte in jedem 0/8/15 Roman zu finden sein, was dieses Buch trotzdem in meiner Liste der lesenswerten Romane erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass ich selten so reale Persönlichkeiten in einem Buch entdeckt habe. Es gibt keinen perfekten Helden, an dem alles toll ist und niemanden, der durch und durch schlecht ist, alle Figuren dieses Romanes sind so unglaublich menschlich, dass man sie manchmal schlagen möchte, weil sie sich so blöd verhalten es einem aber gleichzeitig so durch und durch verständlich erscheint. Ich habe mich in verschiedensten Momenten in den verschiedensten Rollen der Geschichte wiedererkennen können. Das schöne an dem Buch ist, dass es aus drei verschiedenen Perspektiven gleichzeitig geschrieben ist, zu Beginn wechseln diese Kapitelweise (die Kapitel sind dementsprechend nach dem Erzähler benannt), als sich die Geschichte zunehmend verstrickt, wechselt der Blickwinkel auch innerhalb des Kapitels, was ich grundsätzlich sehr gerne mag, der Spannung und des Mitgefühls wegen.
Alles in Allem fand ich das Buch wundervoll menschlich und schön zu lesen. Der einzige Minuspunkt: es sind einige Drcukfehler in meiner Ausgabe, zum Teil fehlen Absätze und dadurch ist der Erzählerwechsel nicht deutlich, was es verwirrend macht, da ich es allerdings als Remittende gekauft habe, könnte das natürlich damit zusammen hängen;)
hier noch eine kurze Leseprobe:
[Nachdem Jake Hitchins in seiner gesamten Schulzeit von Benedict Chievely gehänselt und vorgeführt wurde möchte Maggie sich an ihm rächen. Als sie mit ihrem Bruder Julian einen harmlosen Autounfall beobachtet, der von einem betrunken am Steuer eingeschlafenen Chievely verursacht wurde, versucht sie ihn glauben zu lassen, er habe ein Mädchen überfahren. Sie begießt die Frontscheibe des Autos mit dem Blut eines Fuchses, der dem Unfall zum Opfer gefallen ist und schlatet am nächsten Morgen eine Anzeige in der Zeitung, die den flüchtigen Fahrer eines tödlichen Unfalls sucht. Julian hält nichts von dieser Idee und als er es über Adrienne erfährt läuft er den ganzen Tag über durch die Stadt um alle Zettel wieder abzuhängen.]
Auf der Treppe vor Maggies Zimmer ist es kalt und zugig. Jemand hat unten die Tür offen gelassen. Der Innenhof ist leer. Ich bleieb kurz in der Pförtnerloge stehen und sehe mir die Fotokopie aus dem „Cherwell“ an. ein paar gelangweilte Studenten, hauptsächlich ruderer, stehen herum. Sie lesen den Artikel und dann ein paar andere Sachen. Ich stelle mir vor, wie Chievely hier steht und nach den terminen für das Rugby Training sehen will und wie er es liest.
Maggies Heftigkeit bringt mich zum Lächeln. Ich denke an sie, wie sie viele Treppen weit entfernt auf mich wartet. Ich bin erfüllt von etwas, das ich noch nicht erlebt habe. Dankbarkeit ist es eigentlich nicht, obwohl auch das mit im Spiel ist. auch bloße Aufregung ist es nicht. Vielleicht ist es die Erkenntnis vergangener Einsamkeit. Das Wissen, dass sie vorbei ist. Vielleicht ist es Optimismus. Hoffnung für die Zukunft.
Nach der Wärme in ihrem Zimmer ist es gut, draußen zu sein. Ich bin halb die Straße hinuntergegangen und atme tief die feuchte Luft ein, als ich Julian sehe. Er rennt mit wildem Blick in Richtung Bridwell und hat einen Stoß Fotokopien unterm Arm.
Dieses dumme Arschloch. offenbar ist er den gazen Nachmittag über im strömenden Regen durch Oxford gerannt – und was hat er jetzt= ein paar feuchte Kopien die ihm die Hände schwarz färben. Ist ihm nicht klar, dass Maggies Artikel in der Zeitung selbst steht?
*
Nichts, was der Pförtner von Bridwell sagen oder tun kann wird mich aufhalten: Dieser Aushang gehört mir. Auf halber Höhe der Straße sehe ich, wie Hitchins aus dem Hauptportal des colleges kommt. er sieht ekelhaft zufrieden mit sich aus.
Mit zusammengebissenen Zähnen und hocherhobenen Hauptes ignoriere ich den Regen, der mir hinten in den Pullover tröpfelt, und ich mache mir klar, dass ich ihn nicht mal zur Kenntnis zu nehmen brauche. Ich kann ganz vergnügt an ihm vorbeigehen und auf Distanz bleiben.
*
Ich weiß, dass Julian mich gesehen hat. Ich sehe es daran, wie er einen Blick über die Schulter wirft. Ich sehe, dass er nicht weiß, ob er sich verdrücken soll. Er will nicht mit mir sprechen, aber er will auch nicht, dass ich denke, er läuft vor mir weg. Er kann mich nicht besonders leiden. Vielleicht erklärt das, wiedo er auf Maggies Plan für Chievely so verkniffen reagiert hat. Bei jemand anderem hätte er nichts dagegen – aber weil ich damit zu tun habe und weil ich regelmäßig mit seiner Schwester schlafe, hat Julian das Gefühl, dass seine Hegemoniestellung bedroht ist.
[nachdem Maggie und Julian den Unfall beobachtet haben, schmiedet Maggie einen Plan, der Julian rein garnicht gefällt. Aber sie weiß sehr wohl, wen sie überzeugen kann und so fährt sie mit Julian zu Adrienne, um sie mitten in der Nacht zu wecken. Statt zu ihrem Freund zu halten lässt sich Adrienne von Maggie begeistern und schmiedet mit ihr pläne. Am nächsten Tag wartet Julian auf eine Entschuldigung für den Frontenwechsel]
Es ist spät am nächsten Nachmittag. Ich habe verschlafen. Julian ist nicht in seinem Zimmer, als ich bei ihm anklopfe. Er kommt auch in den nächsten ein, zwei Stunden in denen ich in meinem Zimmer sitze und warte, nicht zurück. Inzwischen wird es dunkel, und ich gerate allmählich in Panik. Weil ich noch nie einen richtigen Freund ahtte, habe ich auch nicht viel Erfahrung im Umgang mit Beziehungsstreitereien und es fällt mir immer schwerer, mich an die überzeugenden Dinge zu erinnern, die Maggie letzte Nacht und heute Morgen gesagt hat, als sie im dunkeln auf meinem Bett saß.
*
Ich verbringe den Tag produktiv (aber nicht besonders vergnügt) mit einer Mittelenglisch-Übersetzung, und gegen vier bin ich etwas verärgert, weil Adrienne mich immer noch nicht suchen gekommen ist. Das wäre das mindeste, was sie tun könnte, nachdem sie sich letzte Nacht so wenig loyal verhalten hat. Ich habe mir die Radcliffe Camera zum Schmollen ausgesucht, weil dort jeder, der mich sucht, als Erstes suchen würde, und das bedeutet, das Adreinne mich nur deshalb nicht gefunden hat, weil sie es nicht versucht hat. Hmmm. Ich beschließe, mir eine Tasse Tee zu genehmigen, um mich aufzumuntern. Der „Cherwell“ lässt hier Freiexemplare verteilen und weil ich niemanden habe, mit dem ich mich unterhalten kann, nehme ich mir eine Zeitung. Studentischer Klatschjournalismus ist vermutlich die angemessene Unterhaltung. Ich sitze in einem Coffeeshop in der Broad Street und halte eine Tasse Earl Grey in der Hand, als ich sehe, was Maggie getan hat.
*
Julian ist in der Radcliffe Camera.
Ich sehe ihn von der treppe aus, stirnrunzelnd über seine Bücher gebeugt, das dünne kleine Notizheft neben sich. Er sieht noch zerzauster aus als sonst und ich mache mir Sorgen, weil er vielleicht nicht gut geschlafen hat. Er sieht mich erst, als ich neben ihm bin, und als ich flüsternd „hi“ zu ihm sage und seinen Arm berühre, sieht er mich mit einem leeren Blick an, der mir Angst macht. Ich habe damit gerechnet, dass er verärgert oder gekränkt ist, aber was ich da sehe kommt mir sehr viel ruhiger vor.
„Hallo“ sagt er und schaut wieder in sein Buch. In der Bibliothek ist das Sprechen verboten und ich sehe ein oder zwei Leute, die zu mir herüber und dann wieder in ihr Buch blicken und die Art, wie sie durch die Nase seufzen zeigt mir, dass dies nicht der Ort ist, zu sagen, was Ju und ich einander zu sagen haben.
„Möchtest du Kaffee trinken gehen?“ Ich versuche, möglichst beiläufig zu klingen. „Nein danke“ Er schhreibt weiter aus seinem Buch ab. „Ich hab vor zwei Stunden eine Tasse Tee getrunken.“ „Jetzt komm doch, Ju…“ Er schweigt und ich bleieb einfach an seinem Pult stehen und hoffe, dass er es sich überlegt. Aber er blickt nicht wieder auf, sondern macht sich Notizen über Middle English Romances, er malt nicht sondern schreibt gleichmäßig und säuberlich wie immer, vielleicht sogar noch gleichmäßiger und säuberlicher. Ich berühre noch einmal seinen Arm.
Jetzt blickt er auf, aber statt etwas zu sagen, greift er in seinen Rucksack und zieht ein Exemplar der Oxforder Studentenzeitung heraus. Es ist der „Cherwell“ von heute. Er reicht ihn mir und als ich ihn noch einmal berühre, schüttelt er meine Hand mit einer unwirschen Bewegung ab.
*
Es ist schon dunkel, als Adreinne sich endlich dazu herablässt, mich zu suchen. Ich habe zwei Übersetzungen gemacht und so viel Middle English Romances gelesen, wie ich jemals lesen werde. Ich sehe sie sofort, als sie in die Bibliothek kommt (ich habe schließlich den ganzen Tag auf sie gewartet) und zum ersten Mal erscheint mir das, was ich immer als rehhafte Anmut wahrgenommen habe eher wie kaninchenhafte Nervosität. Ihre Unsicherheit – der Blick ist sprunghaft, die Glieder sind fluchtbereit angespannt – ärgert mich ebenso wie die Tatsache, dass irh rundäugiger Enthusiasmus meine Schwester dazu angespornt hat, unüberlegte Worte en eine noch weniger überlegte Tat umzusetzen.
Ich rechne mit einer Entschuldigung und bin (obwohl ich den ganzen Tag wütend war) bereit, sie anzunehmen. Aber statt irgendetwas dergleichen auszusprechen, setzt sie sich einfach neben mich und schaut mir in die Augen und in ihrem Blick sehe ich nichts Bedeutsameres als das bange Verlangen, mir zu gefallen – und das ödet mich plötzlich an.